„Herr Jekel, ich kann mein Leben nicht planen“, sagt Marvin aus der 5G. Er sagt diesen Satz beim dritten Termin von „Du schaffst es!“, dem Präventionsprojekt zum Umgang mit Stress und Prüfungsangst.
Bei den ersten beiden Terminen haben wir uns u.a. überlegt, was Stress eigentlich ist und wo wir ihn in unserem Körper spüren. Wir haben uns auch mit verschiedenen Tipps beschäftigt, die helfen sollen, besser mit Stress umzugehen, und wir haben einfache Entspannungsübungen zum Stressabbau kennengelernt. Jetzt geht es um Planung und Zeiteinteilung. Und Marvin kann beruhigt werden. Er muss nicht sein ganzes Leben planen. Er soll nur anhand eines Fallbeispiels üben, wie man durch vorausschauendes Planen und eine geschickte Zeiteinteilung einen Zeitraum von etwa zehn Tagen so gestalten kann, dass möglichst wenig Stress durch die schulischen Anforderungen aufkommt − und dass auch noch freie Zeit übrig bleibt. Marvin und seine Mitschülerinnen und Mitschüler meistern diese Aufgabe gut und haben so ein bewährtes Hilfsmittel an der Hand, um Schulstress zu minimieren.
„Ich kann mein Leben nicht planen”, damit hat Marvin im Blick auf unser ganzes Leben natürlich Recht. Wir haben unsere Pläne und Vorstellungen, aber im Leben kommt manches anders, als wir das erwarten – für Kinder und Jugendliche, für Eltern, für Lehrerinnen und Lehrer. Es können Probleme auftreten in der Klasse, im Freundeskreis oder in der Familie. Krankheit oder ein plötzlicher Todesfall können eine Krise auslösen, die Begleitung erfordert. In Konflikten kann der Wunsch nach Vermittlung aufkommen. Und manchmal braucht man einfach mal jemanden, der zuhört. In all diesen und in vielen anderen Situationen, in denen bei Mitgliedern der Schulgemeinde Rede- oder Handlungsbedarf besteht, stehe ich als Schulseelsorger als Gesprächspartner zur Verfügung. Zuhören, miteinander sprechen, gemeinsam nach Lösungen suchen, überlegen, wer noch helfen könnte, was in einer bestimmten Situation „dran“ ist, entscheidet sich an den konkreten Bedürfnissen des Gesprächspartners bzw. der Gesprächspartnerin in einem durch die Schweigepflicht geschützten Rahmen.
Neben dem Gesprächs- und Beratungsangebot gehören Beiträge zur Gestaltung des Schullebens zum Aufgabenfeld der Schulseelsorge. So feiern wir z.B. regelmäßig ökumenische Schulgottesdienste in Verbindung mit dem Religionsunterricht. Und zukünftig soll ein Raum der Stille in der Mittagspause die Möglichkeit bieten, sich aus dem Trubel des Schulalltags mal zurückzuziehen und sich in entspannter Atmosphäre zu erholen. Projekte des Arbeitskreises „Interkulturelles Lernen“, in dem ich mitarbeite, sollen dazu beitragen, dass das Zusammenleben von Menschen aus vielen verschiedenen Kulturen an unserer Schule gelingt.
Schließlich geht es in der Arbeit der Schulseelsorge auch um Bildungs- und Freizeitangebote, die zum Ziel haben, Kinder und Jugendliche zu stärken, sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen sowie ihnen die Möglichkeit zu bieten, ihre sozialen Kompetenzen und ihr kreatives Potential zu entfalten. Das eingangs erwähnte Projekt „Du schaffst es!“ gehört beispielsweise dazu, ebenso die Einkehrtage „Wollige Tage auf dem Apfelbaumhof“, der Bogenbaukurs „Die Mitte finden“ oder Fahrten zum Jugendkirchentag der Evangelischen Kirche in Hessen, der alle zwei Jahre stattfindet.
Ich kann mein Leben nicht planen − das ist wohl wahr. Wir können unser Leben nicht vollständig durchplanen und durchorganisieren. Aber wir können uns gegenseitig stärken, begleiten und unterstützen, damit dieses Leben, das oftmals voller Überraschungen ist, gelingt und damit wir unser Leben gut bewältigen können. Die Arbeit der Schulseelsorge will hierzu ihren Beitrag leisten.
Arno Jekel